Vom Trippeln und Klauen

Über Lieblingsspeisen und warum man Diebe nicht füttern muss

 

Wenn man die typische Lachmöwe nach ihrer Lieblingsspeise fragen würde, dann müsste sie keine Sekunde nachdenken; nein, sie würde sich nur kurz den Schnabel lecken und dann genießerisch antworten: „Regenwürmer.“ Nun, was auf unsereins eher ungenießbar wirkt, ist für andere Wesen der reinste Leckerbissen. Um an dieses Lieblingsgericht zu kommen, nehmen die Lachmöwen sogar einen ziemlichen Aufwand auf sich. Sie begeben sich in Schlick, also in ein sumpfiges Gebiet oder eine feuchte Wiese, und fangen dort an „herumzutribbeln“, sagt Philipp Herrmann. Er ist Möwenexperte aus Landshut und hat die Lachmöwen bei ihrer Regenwürmer-Suche schon einige Male beobachtet. „Herumtrippeln“ hört sich zwar ein wenig unmotiviert an, doch Forscher haben festgestellt, dass die Lachmöwen dabei eine unglaubliche Geschwindigkeit an den Tag legen: Sie trampeln mit etwa 7 bis 9 Schritten pro Sekunde etwa 50 Schritte vorwärts. „Das ist wirklich sehr schnell“, sagt Herrmann. Dann gehen sie ein Stückchen zurück und schauen auf den Boden, denn nun haben sich im besten Fall einige Regenwürmer an die Oberfläche gegraben, vermutlich, weil sie dachten, es regnet. Gemeiner Trick eigentlich. So aber kommen die Möwen elegant zu ihren Leckerbissen.

Wobei es ihnen offenbar fast noch lieber ist, wenn jemand anderes sich den Aufwand macht und Regenwürmer jagt – und sie sie demjenigen einfach weg stibitzen. Die Lachmöwen sind nämlich das, was man in Expertenkreisen „Kleptoparasiten“ nennt: Sie stehlen gerne ihr Fressen. Von Artgenossen zum Beispiel oder von anderen Vögeln. Wenn etwa Seeschwalben in der Nähe sind, klauen sie denen gerne Mal den Fischfang; schließlich sind sie selbst nicht die besten Fischer.  Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Erfolgsrate bei diesem Fischeklau bei 22 Prozent liegt - immerhin.

Ansonsten fressen Lachmöwen „alles mögliche“, berichtet Phillip Herrmann: Kleingetier und Wirbellose zum Beispiel, also Schnecken, Insekten, Würmer oder Muscheln; aber auch mal Beeren vom Strauch oder: Essensreste von uns Menschen. An die kommen sie etwa in Kompostieranlagen oder eben in der Stadt. Sie streifen über die Pausenhöfen von Schulen, schauen, ob bei Müllkörben etwas daneben gefallen ist, oder sie warten darauf, gefüttert zu werden. Genau das ist leider eine zweischneidige Sache, sagt Herrmann: „Eine echte Gratwanderung.“ Denn logischerweise verbringen die Lachmöwen ihren Winter auch deshalb gerne in Landshut, weil sie hoffen, etwas zu Fressen zu bekommen, doch gleichzeitig ist unser Essen überhaupt nicht gesund für sie. Herrmann plädiert also dafür, die Lachmöwen grundsätzlich nicht zu füttern. Klar, wenn ein Kind beim Möwenbeobachten mal ein Stück von seiner Semmel für die Vögel opfert, ist das kein Problem – aber zur Gewohnheit soll es nicht werden. „Die Möwen finden bei uns auch so genug zu fressen“, beruhigt Herrmann. Und schließlich wissen sie auch genau, wo es ganz einfach zu klauen ist.

Nina Praun