„Ja, sie tun es.“ Das ist die knappe Antwort des Möwenexperten Philipp Herrmann auf die Frage, ob Lachmöwen eigentlich auch schlafen. Aber mal ehrlich, auf diese Frage kommt man schon, wenn man die Möwen beobachtet, mal hier stehend, mal da schauend, mal dort lachend (naja, nicht wirklich, aber dieses Thema diskutieren wir hier ausführlich) – aber nie: schlafend.
Nun, das liegt wohl daran, dass sich die Möwen höflicherweise aus unseren Städten zurückziehen, wenn sie schlafen gehen wollen. Vermutlich nicht, weil sie uns des nächtens nicht mit ihrem Geschreie stören wollen (netter Gedanke allerdings), sondern weil sie selbst des nächstens nicht gestört werden wollen. „Die Lachmöwen wollen sich vor allen Dingen sicher fühlen“, sagt Herrmann, „sonst machen sie kein Auge zu.“ Also fliegen sie zu einem Gewässer und sammeln sich dort, zu hunderten oder gar tausenden. Sie alle „sitzen“ dann mitten auf dem Wasser, weit weg vom gefährlichen Ufer und damit von Landraubtieren wie dem Fuchs. Dann stecken sie ihre Köpfe in das Federkleid und: schlafen. Die ganze Nacht lang bleiben sie dort, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang; erst dann kehren sie wieder zu ihren Tag-Plätzen zurück, an denen sie Leute beobachten oder auf den perfekten Futterklau-Clou warten.
Aber so malerisch, wie wir Menschen uns den Möwen-Gruppen-Schlaf vielleicht vorstellen, läuft es nicht ab. „Sie schlafen nicht so durchgängig wie wir, sie haben eher kurze, feste Schlafphasen und sind oft halbwach“, erklärt Herrmann. „Nachts tut sich da also noch jede Menge.“ Klar: Denn den wichtigsten Feind, den Uhu, muss man auch auf dem Wasser im Auge behalten, denn er greift aus der Luft an. Es müssen also ständig ein paar Lachmöwen den Himmel im Blick haben und notfalls die anderen warnen. Wie sie sich diese Nachtwächterschichten einteilen, ist leider noch unklar.
Viel wichtiger noch ist allerdings die Frage: Wird ihnen denn da nicht kalt, mitten im Winter mitten im Wasser, ganz ohne Neoprenanzug? „Nein“, sagt Herrmann, „wird es ihnen nicht.“ Denn ihr feines Federkleid sorgt für die beste Isolation: per Lufträumen, die zwischen den etwa 10.000 Federchen an der Haut für Wärme sorgen. „Funktioniert wie eine Daunendecke“, sagt der Vogelexperte pragmatisch. Die darf aber nicht nass werden, denn dann wird sie eiskalt und tonnenschwer; und deshalb reiben sich die Lachmöwen mit Fett ein, das sie, wie praktisch, selber produzieren: per Bürzeldrüse. Die ist direkt am Hintern, also am „Bürzel“. Diese Stelle scheint unpraktisch da schlecht erreichbar zu sein, ist sie aber nicht für den Vogel: Der kommt ganz einfach mit dem Schnabel ran, nimmt sich ein wenig Fett und streicht es dann sorgsam über die Federn. „Immer wieder mal, den ganzen Tag über - das ist ein Haufen Arbeit“, sagt Herrmann. Macht aber wasserfest und damit warm; und ein Neoprenanzug muss auch nicht angeschafft werden. Win-Win-Win-Situation, sozusagen.
Nina Praun